Es ist Advent. Ein Samstag im Advent des Jahres 2020. Zweitausendzwanzig, das Jahr, in dem Mutter Natur uns lehrt, was wirklich wichtig im Leben ist. Indem wir vermissen, verzichten, verteufeln, verzweifeln und den einen oder anderen quer verlieren. Indem wir auch hoffen, glauben, durchhalten und uns auf Distanz weiter lieben (sollten).
Ich spaziere an diesem Samstag mit meiner Freundin durch die Stadt. Wir sind ein bisschen zu früh, die Dämmerung der Nacht zieht gerade erst durch die Gassen. Die Weihnachtsbeleuchtung hüllt sich noch in Grau. Wir trödeln rum und vertrauen der Zeit. Doch die Welt bleibt dunkel.
Wir kommen auf dem Rathausmarkt an. Der Weihnachtsbaum ragt imposant gen Himmel, und doch fehlt dem Moment Glanz & Gloria. Wie sooft bitte ich auch in diesem Moment meinen Opa um Hilfe. „Mein lieber Opa, … wenn du gerade Zeit hättest, könntest du bitte die Weihnachtsbeleuchtung der Stadt einschalten. Jetzt?“ Ein bisschen bin ich in diesem Moment die kleine Enkelin, die JETZT ihren Wunsch erfüllt haben möchte. Jetzt, nicht gleich und nicht später. Jetzt als Zeichen der Hoffnung. Als Zeichen von Liebe. Als Zeichen von allem, was in diesem Moment … in diesem Jahr … wichtig erscheint. Die Stadt bleibt dunkel.
„Opa? Kann es sein, dass du vielleicht langsam schlecht hörst? Könntest du bitte die Weihnachtsbeleuchtung der Stadt einschalten?“, frage ich noch einmal ungeduldig nach oben. „Damit ich weiß, dass du ….“ weiter komme ich nicht, denn in diesem Moment erstrahlt die ganze Stadt im Weihnachtslicht. Der prächtige Baum leuchtet stolz, die Zweige schimmern im Advent. Sterne glitzern an den Laternen, und meine Freundin steht mit weit offenstehendem Mund neben mir.
Während sie sich ihre Kamera schnappt und den Weihnachtszauber fotografieren geht, suche ich mir einen ruhigen Ort und weine. Sollte ich jemals in diesem herausfordernden Jahr geglaubt haben, dass eine Freundschaft, ein Kontakt, eine Verbindung abreißt, weil wir uns aktuell nicht sehen, umarmen oder gemeinsam betrinken können, dann lehrte mich dieser Augenblick, dass wahre Liebe unter Menschen keine Entfernung, keinen Abstand und keine Zeit kennt.
Mein lieber Opa, ich danke dir für dieses Zeichen und diese (d)eine Liebe.