Vor einigen Tagen traf ich Eva zum Abendessen. Wir sind noch nicht lang befreundet und hatten uns tatsächlich in diesem Jahr auch noch nicht gesehen. Die Zeit war schneller, als das wir uns auf eine Miso-Suppe bei unserem Lieblingsasiaten treffen konnten.
Eva sah toll aus. Vielleicht ein bisschen müder als im vergangenen Jahr, aber toll. „Sag mal, wenn Du in Hamburg … ach was sag ich, in Deutschland … vielleicht auch Europa, ein touristischer Hotspot wärst, welcher wärst Du dann?“ fragte mich Eva und fiel damit ein bisschen mit der Tür ins Haus. Ich lachte und antwortete: „Du meinst sowie das Brandenburger Tor in Berlin? Der Eiffelturm in Paris? Der Hamburger Hafen oder der Big Ben in London?“ – „Ja, genau!“ sagte Eva lächelnd und schlürfte weiter ihre Suppe.
Während ich überlegte, ob ich jetzt eher der britische Typ „Big Ben“ oder doch die Kategorie bayrischer „Viktualienmarkt“ bin, fuhr Eva fort:
„Seitdem ich mir immer wieder vorstelle, ein touristischer Hotspot zu sein, fällt mir der zwischenmenschliche Kontakt leichter. Menschen kommen und gehen, eben gleich wie Touristen. Manche kommen und bleiben im sicheren Abstand, bewundern dich in deiner Schönheit. Andere kommen dir viel zu nah, toben durch die Gänge deines Lebens, ohne jemals deine wahre Schönheit zu erkennen. Einige bleiben weg, weil der Eintritt den du vielleicht verlangst, ihnen zu teuer ist, wieder andere bezahlen gern und verbleiben in der Stille. So mancher Idiot klebt dir einen ekligen Kaugummi der Erinnerung an die Fassade, pinkelt in deinen Vorgarten oder ritzt seinen Namen in deine Lebensmauer. Doch ein anderer sammelt den Müll der Vergangenheit in deinem Garten auf, inszeniert dich in schönsten Fotografien und malt dich in bunten Farben. Manche kommen nur einmal und bleiben nicht lang, andere wiederum bleiben für immer oder schliessen ein Jahresabonnement auf Dich ab, sodass sie dich jederzeit besuchen können, ohne dich zu besitzen.
Und dir bleibt die Gelassenheit, um auf diese Touristen in deinem Leben zu blicken. Wer weiß schon wie lang sie bleiben? Oder wie sie sich gar benehmen?“
Eva und ich hatten in den vergangenen Wochen drei Varianten von „Tourist“ erlebt. Menschen, die uns mit entzückenden Worten das Gefühl gaben, der „Must to see“ Hotspot zu sein. Menschen, die nur vorbeikamen, um ein hässliches Graffiti in unserem Inneren zu sprühen. Und dann auch die Menschen, die uns anfangs wohl gesonnen erschienen und es am Ende doch leider nicht waren.
Meine Suppe ist inzwischen kalt geworden und Eva muss auch schon wieder los. Wir haben keinen neuen Termin verabredet oder uns leere Versprechungen wie „Bald mal wieder, ja!“ zugerufen. Wir begegnen uns einfach immer wieder neu und ohne genau zu wissen, wie lang wir bleiben.
Wäre ich also ein touristisches Highlight … so habe ich mich am Ende für die Sächsische Schweiz entschieden. Mit all ihrer Schönheit, Grazie, Gefahr und Magie. Mit der Erinnerung von einst und dem Abenteuer von morgen. Mit ewiger Verbindung zur Elbe und sicher geschützt in der Ruhe und Kraft des Waldes.