122, 121, 119, 110, 89, 76, 53 … London.

„Wenn ich etwas wirklich will, dann mache ich es einfach!“

So oder so ähnlich hätte noch vor ein paar Monaten ein Satz aus meinem Mund geklungen. Unbeschwert. Frei. Das Leben genießend und ohne diese große Portion an Angst.

Doch dann wollte ich wirklich nach London. Ich wollte es einfach machen. Mich nicht beeindrucken lassen von der Weltpolitik, Terror oder Horrorschlagzeilen. Nach 22 Jahren mal wieder die britische Hauptstadt genießen. Toast essen bis mir schlecht ist. In der Dowing Street an die Tür klopfen, bei der Queen nach dem Rechten sehen, durch die Stadt schlendern. Am Big Ben innehalten. Beeindruckt das London Eye bestaunen und im Wembley Stadium mit vielen, vielen Menschen das Leben feiern.

Ich zählte die Tage. 122, 121, 119, 110, 89, 76, 53 … und irgendwann begann bekanntlich der Terror laut durch London zu ziehen.  Meine Neugier und Vorfreude kam jedes Mal kurzzeitig ins Straucheln. Schnell fing ich mich wieder … denn ich wollte es ja wirklich! Allerdings hatte ich die Rechnung ohne die Menschen an sich gemacht. Seit Beginn der Terroranschläge in London verging kein Tag, an dem ich nicht mindestens eine Nachricht erhielt: „Willst Du wirklich nach London, um dort zu sterben?“ oder „Ich würde da ja nicht hinfahren! Vielleicht erschießen sie Dich da ja!“ Mir war das alles sehr fremd. Ich wollte mein Herz nicht verschließen und schon gar nicht darüber nachdenken! Am absurdesten erschien mir die Frage: „Würdest Du in die Themse springen, um Dich zu retten?“ Ich hatte keine Antworten, denn ich habe (selbst heute nicht) die Vorstellungskraft dafür.

Doch wenn zehn Menschen wie ein tägliches Mantra auf Dich einreden, dann hat es spätestens der Elfte geschafft Dich zu verunsichern. Ich erwischte mich dabei, wie ich bei meiner Krankenkasse nach den Konditionen der Auslandsversicherung suchte,  wie mein Hirn sich Strategien überlegte und ich kurz vor meiner Abreise die Wohnung in so einen Zustand brachte, dass meine ggf. Hinterbliebenen nicht so viel Chaos vorfinden würden. Was für ein Irrsinn!

… und ich fuhr nach London.

Vorsichtig streckten wir unsere Fühler in die Stadt. Ließen uns suchen und finden. Suchten & fanden. Öffneten unsere Herzen und begegneten dem Leben. Begegneten den Menschen. Schwiegen minutenlang an der Westminster Bridge. Bummelten täglich stundenlang durch die Straßen und Gassen. Spürten das besondere Flair und ließen uns von der Herzlichkeit der Briten umarmen. Kann Freundlichkeit ein Gefühl von Sicherheit herstellen? Ja! Kann gemeinschaftliche Achtsamkeit einen beschützen? Auf jeden Fall … und wenn auch nur für den Moment.

… und als ich nach drei aufregenden Tagen meine Wohnungstür wieder aufschloss, war sogar meine Wohnung perfekt aufgeräumt. Ich stellte meinen Koffer in die Ecke. Warf mich aufs Sofa! Und wusste: Das Leben ist schön!

 

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