Seit 3 Jahren arbeite ich in einem internationalen Unternehmen und reise daher mehrfach im Jahr quer durch Europa. Ich genieße es Europäerin zu sein, leicht ein- und ausreisen zu können und mit dem Euro (fast überall) unkompliziert bezahlen zu können.
Es war inmitten der griechischen Wirtschaftskrise, als wir einen Termin in Athen wahrnehmen sollten und uns erstmals fragten: „Kann man noch gefahrlos sagen, dass man aus Deutschland kommt, oder sollten wir doch lieber Schweden als Herkunftsland wählen?“ Wir entschieden uns (mit Zurückhaltung) für die Wahrheit, denn vielleicht würden uns die Griechen ja dann trotzdem blöd finden, weil z.B. letztens beim IKEA-Regal-Aufbau eine Schraube fehlte. Wir überlebten Griechenland ohne Zwischenfälle. Die Griechen sind toll und ein ausgesprochen freundliches Volk.
Vor einer Woche stand ein Auslandstermin in Spanien an. Die gleiche Frage in unseren Köpfen: „Wie denkt wohl das Europa vor unserer Tür über die Flüchtlingskrise und Frau Merkels politische Haltung dabei?“
Beim Meeting selbst spricht man selten über Politik, es fehlt einfach die Zeit jede politische Entscheidung aller teilnehmenden Länder, zu kommentieren. Jeder ist, jeder darf sein und wahrscheinlich würde man aus jeder Nation jemanden finden, der denkt, seine Politiker wären die Unfähigsten, selten die Fähigsten.
Im Gespräch mit den Einheimischen nehmen wir uns allerdings immer die Zeit … auch für die Politik. Gerade für die Politik. Doch diesmal war in Spanien alles anders.:
Nach getaner Arbeit saßen wir abends am Strand. Die Füße im Mittelmeer … zack, da waren sie auch schon, die Erinnerungen an die Flüchtlingskrise und all die ertrunkenen Menschen.
Doch schnell wurden unsere nachdenklichen Gedanken, durch die spanischen Klänge aus einer naheliegenden Cocktailbar vertrieben. Wir bestellten zwei Caipirinhas und dann passierte es. „Where are you come from?“ Da war sie unsere Lieblingsfrage! Dieses Mal überlegten wir nicht. „Germany!“ Der Kellner nickte und ließ uns stehen. War es nun so weit? Ließ der Kellner uns einfach stehen? Würde man uns keine Cocktails mehr verkaufen? Uns, den Deutschen?
Kurze Zeit später kam der Kellner zurück. Neben unsere beiden bestellten Cocktails stellte er einen Dritten. „It’s for Frau Merkel. Germany is good!“ Sein Daumen ging nach oben, sein Lächeln war ein Geschenk. Wir bezahlten unsere zwei Caipis, den „Merkelrinha“ nahmen wir selbstverständlich mit und gingen zurück zur Wasserkante.
Wow! Das war eine tolle Begegnung und auch jetzt, wenn ich darüber schreibe, bekomme ich noch eine Gänsehaut. Niemand ist frei von der emotionalen Beeinflussung durch das, was in unserem Land passiert. Was in Europa passiert. Was in der Welt passiert. Der Mensch tut Schreckliches, beleidigt und demütigt und im einfachsten Fall natürlich dann die Kanzlerin. Man wünscht ihr das Schlimmste und Hässlichste, was die Sprache hergibt und auf jeden (!!!) Fall ist sie an allem (!!!) und jedem (!!!) Unglück Schuld. Selten am Glück! Sagt man.
Mir scheint der Mensch verliert die Nerven, oftmals auch den Glauben an unsere ethische Pflicht, an die Grundwerte des Respekts, der Achtung und des so wichtigen menschlichen Miteinanders.
ABER … dann gibt es eben auch diese Momente wie in Spanien. Und plötzlich weiß man die Menschheit ist noch nicht ganz verloren und man kann ruhigen Gewissens sagen: Ich komme aus Deutschland. Diesem Land inmitten Europas.
Kleiner Nachtrag an die Kanzlerin: Liebe Frau Merkel, leider hatten wir keine Möglichkeit Sie direkt und kurzfristig zu kontaktieren, so dass wir Ihren Cocktail trinken mussten. Sorry! Dankbar, stolz und betrunken saßen wir irgendwann im Taxi. An diesem herzwarmen Abend in Barcelona.